Süddeutsche Zeitung (SZ), Ausgabe Dachau vom 03.01.2013
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Glanzlichter
Beschwingt wie selten - das Neujahrskonzert der Camerata München im Karlsfelder Bürgerhaus
Karlsfeld - Merkwürdig, was man nicht alles mit "spanisch" in Verbindung bringt. Wir denken an "ein spanisches Dorf" und an alles, was uns irgendwie "spanisch", also unverständlich, zumindest schwer erklärbar, vorkommt. Es gibt aber auch spanische Kunst, die wir bewundern, und spanische Musik - die wir kaum kennen. Denn mit spanischem Tanz, etwa Flamenco, ist nicht viel erreicht. Die Karlsfelder Neujahrsgala der Camerata München unter der Leitung von Bernhard Koch gab jetzt tiefere Einblicke in die spanische Musik und stellte die "Zarzuela" als spanischen Ableger der Operette vor. Das war zwar das Herzstück, das dieser Gala die besondere Note gab, aber das war bei weitem nicht die ganze Gala.
Die war schon mit dem Auftritt des Orchesters gegeben: Überwiegend Damen in festlichen Roben, ein Anblick, der von Anfang an in festliche Stimmung versetzte, und das nicht nur die Zuhörer, sondern offenbar auch den Dirigenten Bernhard Koch. So beschwingt wie bei dieser Neujahrsgala hat man ihn noch selten erlebt. Das Orchester war aber nicht nur gut anzuschauen, es war auch sehr gut anzuhören, denn es war an diesem Abend außerordentlich gut besetzt (was Bernhard Koch ausdrücklich bestätigte). Schon die Ouvertüre der Oper "Idomeneo" von Wolfgang Amadeus Mozart und die Begleitung einer Sopran-Arie aus dieser Oper war hinreißend schön gespielt, und Mozart ist ja immer das Schwerste. Weiter ging es von Donizetti über Gounod zu Bizet, also vom "Liebestrank" mit seiner bekanntesten Arie "Una furtiva lagrima" über "Romeo et Juliette" zu "Carmen" - Ouvertüren, Arien, Duette, lauter Höhepunkte.
Sorgte das Orchester bereits für Gala-Atmosphäre, so setzten die Sopranistin Elaine Arandes und der Tenor Rafael Cavero stimmliche Glanzlichter. Elaine Arandes ist schon seit Jahren Gast der Neujahrsgala, man staunt bei jedem Auftritt, wie jung die Stimme geblieben ist und wie charmant die Sängerin. Rafael Cavero war neu, ein richtiger Belcanto-Tenor, eine Wucht an Stimme und Ausstrahlung. Sopran und Tenor sind Südamerikaner, also ideale Interpreten der spanischen Zarzuela.
Das Duett "Tonight" ergänzte die Highlights der europäischen Musik vortrefflich
Eigentlich ist das eine spanische Gattung von Bühnenstücken, die schon im 17. und 18. Jahrhundert gepflegt wurde, doch bekannt ist sie nur durch den Aufschwung, den sie im 19. Jahrhundert genommen hat, als der Komponist Francisco Barbieri in seinem Stück "El Barberillo de Lavapies" spanische Folklore zu einem grundlegenden Element der Zarzuela machte. Die "Cancion de Paloma" (Lied der Taube) aus dieser Zarzuela war dann auch das zentrale Stück der Folge spanischer Arien und Duette, die einem aber gar nicht "spanisch" vorkamen, sondern wie Operette mit Witz und Walzer.
Also auch den Walzer kennt die Zarzuela, freilich keinen so hinreißend schönen, unter die Haut gehenden wie "Rosen aus dem Süden" von Johann Strauß. Vorher durfte der Walzer "Espana" von Emil Waldteufel das spanische Programm einleiten. Bernhard Koch dirigierte beide Stücke als Konzertwalzer aber auch begeisternd. Gibt es nach der Musik von Mozart bis Johann Strauß noch Gala-würdiges?
Bernhard Koch wurde bei Leonard Bernstein fündig. Das Duett "Tonight" aus der "Westside Story" ergänzte die Highlights der europäischen Oper und Leichten Muse vortrefflich. Letztes Jahr machte "Die Uhr" von Joseph Haydn unter seiner Hand ticktack, jetzt war es die gleichnamige Polka von Johann Strauß. Jeder jammert, dass die Zeit so schnell vergeht, aber auf diese Weise - mit Haydn und Strauß -lassen wir
sie uns gern bewusst machen.
ADOLF KARL GOTTWALD

Voller Schwung dirigierte Bernhard Koch das Neujahrskonzert der Camerata München im Karlsjelder Bürgerhaus.
FOTO: NIELS P. JØRGENSEN |